Was steckt hinter dem Mythos New York City zur Winter- und Weihnachtszeit? Wie fühlt es sich eigentlich an, mittendrin zu sein im typisch amerikanischen Feiertagsfieber zum Thanksgiving? Und ist der Flughafen JFK tatsächlich so antiquiert? Ich hatte viel gehört über die inoffizielle Welthauptstadt, dort gewesen bin ich aber noch nicht. In diesem Blogbeitrag zu unseren Erfahrungen als StartCargo Trainees Gen. 10 der Lufthansa Cargo werde ich, Sebastian, von der tollen Zeit meines Auslandseinsatzes direkt am Airport JFK berichten.
Das Projekt
Teil des StartCargo Programms ist die Chance, einen der fünf Projekteinsätze im Ausland zu machen. Die Möglichkeiten sind super vielfältig, da wir aktive Stationen in nahezu allen Ländern der Erde betreiben (okay, Australien und die Antarktis standen leider nicht zur Auswahl). Aufgaben und Herausforderungen gibt es ebenfalls mehr als genug, so dass man sprichwörtlich die Qual der Wahl hat. Da ich bisher viel im Bereich Handling unterwegs war, sollte es ein Commercial-Thema werden. Die Regionsverantwortlichen für Nordamerika in Atlanta hielten für mich ein spannendes und herausforderndes Thema bereit: die Analyse und Optimierung des Handling Revenue Streams für alle US-Stationen. Auf Deutsch: Wir übernehmen neben der Rolle der Airline an vielen Airports auch die Funktion eines Handlingpartners am Boden und fertigen Fracht von anderen Kundenairlines in unseren Terminals ab. Ziel des Projekts war es, einerseits diese Bodenprozesse digital zu erfassen und die Abrechnung der Kundenairlines zu automatisieren, andererseits den Zahlungsverkehr zwischen Kunden und der Lufthansa Cargo zu vereinfachen. Man glaubt es kaum, aber ein Großteil offener Gebühren bei der Abholung von Fracht wird in den USA per Scheck bezahlt – mit aufwendigen Nachfolgeprozessen, bis die Zahlung bei uns angekommen ist. Aufgrund der hohen Anzahl von Kundenairlines sollte das Projekt in New York stattfinden. Und so stand es fest: von Oktober bis Dezember 2017 geht es für mich nach Big Apple.
Vorbereitung und Ankunft
Drei Monate in einem anderen Land zu leben und zu arbeiten erfordert gute Vorbereitung. Also: Visum beantragen, Wohnung in vertretbarer Nähe zum Flughafen suchen, Auto unterstellen und die Post weiterleiten lassen. Insgesamt gestaltete sich das durch die Unterstützung der erfahrenen Entsendeabteilungen der Lufthansa als problemlos. Dann: packen, ab zum Flughafen und auf der LH400 im A380 nach JFK. Nach meiner unkomplizierten Anreise war ich sehr gespannt auf meine ungesehen angemietete Wohnung. Entgegen vieler Schauergeschichten hatte ich großes Glück, ein schönes Apartment im Haus einer sehr netten jamaikanischen Familie und niemals Probleme mit Mäusen, der Heizung oder Straßenlärm. Das Abenteuer New York konnte beginnen.
Mein neuer Arbeitsplatz: JFK
Das Büro der Cargo in New York ist direkt am Flughafen JFK mit eigenem Frachtterminal. An der Vorderseite parken die Mitarbeiter, an der Rückseite die Jumbos, Triple 7 und MD-11. Die neuen Kollegen empfingen mich herzlich und gleich in der ersten Woche startete ich mit einem Kick-Off mit allen Projektbeteiligten – standesgemäß mit Donuts und Kaffee. Im gleichen Tempo ging es im Duo mit dem Projektleiter weiter, unser Büro wurde mit Process Maps und Plänen tapeziert und die Vertreter von Drittanbieterfirmen für Zahlungsdienstleistungen gaben sich bei uns die Klinke in die Hand. Am Ende habe ich nicht nur eine Menge Kollegen in ganz Nordamerika kennen und schätzen gelernt, sondern konnte auch etwas (hoffentlich) Brauchbares hinterlassen und meinen Beitrag zur Zielerreichung des Projekts leisten.
Stadt, Staat und Umgebung
Nach Arbeit und an den Wochenenden gab es natürlich ausreichend Zeit, die Megastadt und andere Ziele entlang der Ostküste zu entdecken. Wow – das war mein erster Eindruck. New York City ist einfach riesig, eigentlich fünf Städte in einer, verbunden durch ein sehr antiquiertes Bus- und U-Bahnnetz. Logisch, dass ein Großteil der New Yorker gestresst ist, denn von A nach B zu kommen ist mitunter eine Sache von Stunden. Von meiner Unterkunft brauchte ich etwa 45 min mit den Öffentlichen zu den wichtigsten Zielen Downtown, und das habe ich oft genutzt. Battery Park, Staten Island Ferry, One World Trade Center, Financial District, SoHo, High Line, Bryant Park, Central Park, Upper East Side – bald wandelte ich in der Stadt, als wäre ich schon lange Teil davon. Und das ist das Tolle hier: die Bewohner kommen aus aller Herren Länder dieser Welt, im Grunde ist also fast jeder ein Fremder wie du selbst. Man fühlt sich schnell nicht mehr fremd in der Stadt. Besonders überrascht haben mich die ausgedehnten Strände, wenn man mit dem Auto Richtung Osten auf Long Island hinausfährt. Vorbei an mondänen Häusern und ausgedehnten Farmen geht es bis nach Montauk. Als wären die Strände nicht genug, bieten die vorgelagerten Barriereinseln, zum Beispiel Fire Island, fast unbebauten Zugang zum Atlantik. Auch im Herbst und Winter ein Traum, wenn sich bis auf einige Surfer und Kiter nur wenige Menschen dahin verirren. Etwas weiter weg bot Washington, D.C. eine willkommene Abwechslung zum hektischen Treiben New Yorks. Besonders beeindruckt hat mich hier die National Mall mit den vielen kostenfrei zugänglichen Museen der Smithsonian Institution, für mich allen voran natürlich das National Air and Space Museum.
Vor Halloween begannen die New Yorker plötzlich, jeden noch so kleinen Vorgarten ausladend mit Kürbissen, künstlichen Spinnennetzen und trällernden Hexenattrappen zu schmücken. Tatsächlich zogen dann am Halloweenabend tausende verkleidete Kinder mit ihren Eltern und einem unaufhörlichen „Trick or Treat!“ um die Häuser. Wie im Film! Am nächsten Morgen war alles verschwunden und der nicht minder üppigen Thanksgiving-Dekoration gewichen. Auch Freunde und ich haben uns an einen Truthahn gewagt. Dank der hilfreichen Tipps meiner Kollegen ist der sogar sehr ansehnlich geworden. Mit dem Dezember verwandelte sich New York, ganz besonders die 5th Avenue, in ein wahres Winter Wonderland. Überall Lichterketten, aufwendige Disneyshows an Hausfassaden und kleine Weihnachtsmärkte. Nur der Glühwein fehlte, denn Alkohol darf in den USA nicht öffentlich ausgeschenkt werden.
Abschied
Den letzten Tag auf Arbeit versüßten mir meine Kollegen mit einem Ausflug zum Sushirestaurant. Nach knapp drei Monaten gemeinsamer Zeit musste ich nun das Projekt an das Team übergeben und mich verabschieden. Natürlich freute ich mich gerade zur Weihnachtszeit, in Deutschland wieder Freunde und Familie zu sehen. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge bestieg ich dann am 23.12. bei Regenwetter den Flieger zurück nach Hause und erhaschte beim Start trotz Nebel doch noch einmal einen letzten Blick auf New York City, meine Heimat auf Zeit.