Dr. Bettina Volkens findet: Manchmal ist es nötig, Alphatier zu sein – auch als Frau.
Männer und Frauen unterscheiden sich – was soll also diese Gleichmacherei? Studenten heißen jetzt Studierende, weil das geschlechtsneutraler ist; in Berliner Behörden gibt es Unisex-Klos und eine Frauenquote bestimmt, wie Aufsichtsräte besetzt werden. Muss denn diese political correctness wirklich sein?
Wir sagen: Ja. Denn es geht nicht um politische Korrektheit, sondern um menschliche und um wirtschaftliche Korrektheit. Frauen haben weniger Führungspositionen inne und verdienen im Schnitt weniger Geld als Männer. Das ist nicht nur ungerecht, sondern auch schlecht für jedes Unternehmen. Denn eine gesunde Mischung stärkt das Geschäft.
Heute zum Weltfrauentag wollen wir ein Interview mit Frau Dr. Bettina Volkens, seit Juli 2013 Vorstand Personal und Recht sowie Arbeitsdirektorin der Lufthansa Group, mit Ihnen teilen. Im Interview erklärt sie, warum Frauen Selbstbewusstsein an den Tag legen müssen und warum das nichts mit Ellenbogenmentalität zu tun hat. Herzlichen Dank an die Kollegen, die für dieses Interview verantwortlich sind 🙂
Frau Dr. Volkens, Klischeefrage: Hosenanzug oder Rock – was ist Ihnen lieber?
Dr. Bettina Volkens: Rock.
Weil’s weiblicher wirkt?
Weil’s bequem ist. Und doch gut aussieht, oder? (lacht)
Bleiben wir beim Klischeedenken: Sind Sie davon frei?
In Klischees zu denken passiert auch mir immer wieder – leider.
Ach ja?
Letztens hatte ich ein Meeting zum Thema IT. Auf dem Weg dorthin habe ich mit einem Raum voll Männer gerechnet. Dann kam ich herein – und sah nur Frauen. Da muss ich mich doch an die eigene Nase fassen und mich fragen: Warum habe ich eigentlich nur Männer erwartet?
Weil viele IT-ler halt Männer sind.
Mag sein, aber es gibt auch viele Frauen in dieser Branche. Wir sollten uns also von bestimmten Rollenbildern verabschieden, vorurteilsfrei an Dinge rangehen. Ansonsten machen wir es uns zu bequem, indem wir Frauen und Männer in unterschiedliche Schubladen packen.
Nochmal zurück zu Ihrer Jugend: Wann kam der erste Berufswunsch?
Im Teenageralter: Sport und Geografie studieren und dann Lehrerin werden. Ich habe bereits von Kindesbeinen an viel Sport getrieben und habe mich für andere Länder interessiert und dachte mir, dass es doch schön wäre, auch andere dafür begeistern zu können.
Hatten Sie da schon Lust, irgendwann Führungskraft zu sein?
Nein. Aber ich habe schon immer gern selbst Dinge in die Hand genommen.
Also zu führen.
Wenn Sie es so nennen wollen, ja. Ich habe gerne geführt, war die erste weibliche Präsidentin meiner Studentenverbindung.
Eine Studentenverbindung? Durften Frauen da überhaupt rein?
In unsere schon. Wir waren eine Sportlerverbindung, in der Männer und Frauen Mitglied sein konnten; wir waren damals also schon recht progressiv.
Sie waren die Quotenfrau im Amt.
Damals gab es den Ausdruck Quotenfrau noch gar nicht. Ich wurde gewählt, von allen Mitgliedern, Studentinnen und Studenten.
Wurde seitens der Männer gefrotzelt: Warum ausgerechnet die?
Nein. Und wenn, habe ich es nicht mitbekommen.
Haben Sie’s der Macht wegen getan, fürs Ego, aus Lust am Rampenlicht?
Lust aufs Rampenlicht und fürs Ego? Kaum. Wegen der Macht? Ja.
Aha – Sie wollen das Zepter in der Hand halten.
Macht – sofern sie nicht missbraucht wird – sehe ich sehr positiv. Sie ist ein Mandat, das einem erteilt wird, ein Handlungsspielraum, innerhalb dessen man gestalten kann. Nur wer Macht hat, kann was verändern, bewirken, etwas beeinflussen. Und ich habe schon immer gerne geführt, gestaltet, bin vorangegangen.
Ist das jetzt noch typisch männlich oder weiblich?
Weder noch. Es gibt Menschen, die Lust auf Macht und Verantwortung haben, und welche, bei denen das nicht so ist.
Fehlt den meisten Frauen dieses Machtbewusstsein?
Lassen Sie es mich so sagen: Viele Frauen konzentrieren sich auf Inhalte, entscheiden aufgrund eines Themenfeldes, ob sie etwas gerne machen würden oder nicht. Männer haben da vielleicht mehr Macht und Prestige im Blick, das mit einer bestimmten Position verbunden ist. Das jedenfalls zeigen bundesweite Umfragen.
Wenn eine Frau auf Sie zukommen würde und sagt, sie arbeite viel, ihre Arbeit werde gelobt, aber dennoch entwickelt sie sich beruflich nicht weiter – was würden Sie sagen?
Ehrlich gesagt wäre ich froh, wenn das mal jemand sagen würde. Frauen nehmen es leider oft klaglos hin, wenn sie sich beruflich nicht weiterentwickeln.
Deshalb haben wir so wenige weibliche Führungskräfte?
Ich denke schon. Weibliche Führungskräfte treten eher auf der Stelle als männliche. Sie entwickeln sich größtenteils ‚horizontal‘, für Männer führt der Weg schneller nach oben. Weil Frauen Dinge oft nicht beim Namen nennen, nicht klar und deutlich sagen, was sie wollen. Aber warum eigentlich? Das Motto müsste doch sein: Wenn sich eine Gelegenheit bietet, nimm sie dir, bevor es ein anderer tut.
Sie fordern Ellenbogenmentalität.
Nein, gesundes Selbstbewusstsein und eine klare Vorstellung davon, was man will.
Muss Lufthansa insgesamt weiblicher werden?
Kommt darauf an. In einigen Bereichen ist eine gute Mischung da, in anderen ist noch Luft nach oben. Generell gilt: Ein ausgewogener Anteil an Männern und Frauen, aber auch Mitarbeiter aus anderen Ländern und Kulturkreisen tut jedem Unternehmen gut, auch Lufthansa. Aber: Wir brauchen ja für bestimmte Positionen immer eine bestimmte Qualifikation. Und wenn der Markt nicht genug Frauen mit der passenden Qualifikation bietet, ist das natürlich schade.
Aber für Führungskräfte gibt es eine Frauenquote.
Wir alle wissen: Vielfalt hilft und dazu gehören auch Frauen in Führungspositionen. Dass wir allerdings dafür eine Quote brauchen, finde ich bedauerlich.
Warum?
Weil es von oben verordnet wird. Besser wäre es doch, wenn der Frauenanteil steigt, weil Unternehmen erkennen: Unsere Kunden sind vielfältig, also brauchen wir auch Vielfalt bei uns im Management. Deshalb wollen wir in der Lufthansa Group den Frauenanteil bei den Führungskräften erhöhen und haben uns dazu gute Maßnahmen überlegt.
Woran dann?
Welche Vorgehensweise wann nötig ist. Und ab und zu ist es nun mal nötig, ein weibliches oder männliches Alphatier wie O’Leary zu sein. Genauso gut kann es erforderlich sein, Diplomatie und Fingerspitzengefühl walten zu lassen. In unserem Geschäft wird mit zum Teil harten Bandagen gekämpft. Man muss umarmen können, sich aber genauso gut mit klarer Kante durchsetzen. Das ist im Airline-Geschäft so, aber auch in vielen anderen Branchen. Ab und zu hart in der Sache sein, ist notwendig, legitim. Aber nur, wenn trotz Differenzen die persönliche, die Beziehungsebene gepflegt wird, man fair zueinander ist.
Eine indiskrete Frage zum Schluss: Wer kocht, putzt und räumt zu Hause auf?
Natürlich die ganze Familie. Aber, na klar, haben wir eine Kinderfrau.
Gutes Teamwork?
Gutes Teamwork. Obwohl: Mein Mann wird wohl nie so aufräumen, dass ich zufrieden bin. Kennen Sie das?
Hört sich vertraut an.
Dachte ich’s mir doch. Tja, Männer und Haushalt – das wird wohl nichts.
Vorurteil?
(lacht) Auf jeden Fall!