Oft werde ich gefragt, wie lange ich den Beruf noch ausüben möchte. Ob der Beruf als Flugbegleiterin nicht irgendwann mit den privaten Zielen nicht mehr vereinbar ist.
Ein Argument ist dabei oft, dass die Kinder, die ich vielleicht irgendwann haben werde, dann ja unversorgt zu Hause alleine gelassen werden müssten, während ich als Mutter durch die Welt fliegen würde.So ist das natürlich nicht. Da ich selbst noch keine Kinder habe, habe ich mir heute eine Fliegerkollegin, die schon Mama ist, an die Seite geholt, um mal genauer nachzufragen ob, aber vor allem wie der Beruf eigentlich mit einem Kind vereinbar ist.
Ich möchte dir Sarah vorstellen. Sarah fliegt nun schon seit 20 Jahren für Lufthansa und ist inzwischen Purserin. Sarah hat zwei Söhne im Alter von 12 und 10.
Erst mal vielen Dank dir, liebe Sarah, dass du dir die Zeit nimmst für meine Fragen.
Dann kläre uns mal auf:
Erst mal generell gefragt: Ist der Beruf einer Flugbegleiterin bzw. einer Purserin mit einem oder in deinem Fall zwei Kindern vereinbar?
“Auf jeden Fall. Allerdings bedeutet es oftmals eine etwas andere Organisation als in anderen Berufen. Wenn man die aber hat, ist der Beruf gut mit der Familie vereinbar.”
Deine Söhne sind ja nun nicht mehr ganz klein, so dass es inzwischen vielleicht einfacher ist, mal ein paar Tage von zu Hause weg zu sein. Wie war es am Anfang, als die zwei noch kleiner waren?
“Das Loslassen war nicht immer einfach und ich denke, jede Mutter, auch in anderen Berufen, kennt das schlechte Gewissen, wenn man zur Arbeit geht. Mit der Zeit merkt man aber immer mehr, dass es doch auch ohne einen gut läuft und wird entspannter. Interessanterweise ist es für mich heute mit größeren Kindern in der Organisation im Vorfeld oftmals viel umfangreicher. Das liegt einfach an den schulischen und außerschulischen Aktivitäten, die man mit einplanen muss.”
Von einigen fliegenden Mamis habe ich schon gehört, dass der Fliegerberuf einem gerade als Mutter auch hin und wieder mal eine Auszeit vom Familienalltag verschafft. Wie stehst du dazu? Siehst du den Beruf auch als einen persönlichen Mehrwert?
“Für mich ist das Fliegen tatsächlich wie eine kleine Auszeit. Man ist mehr als “nur Mama” und mit den Eindrücken der Flüge, dem Austausch mit den Kollegen, den Erlebnissen ziehe ich für mein Familienleben sehr viel raus.
Ich bin auch nach 20 Jahren mit viel Freude bei meiner Arbeit und ich sehe, dass beide Seiten, also Arbeitgeber und Familie, von mir als arbeitende Mutter profitieren. Stressresistenz ist für die Arbeit an Bord und natürlich zu Hause sehr wichtig. Die sehe ich bei mir und auch bei anderen fliegenden Müttern als sehr stark ausgeprägt. Auch merke ich eine positive Gelassenheit, die ich vor den Kindern einfach nicht hatte. Das hat mir an Bord und zu Hause schon viele Situationen erleichtert.”
Du hattest in einem Gespräch schon mal angedeutet, dass es eine gute Organisation erfordert, um den Beruf auch mit Kind ausüben zu können. Du hast also nicht nur Plan A, sondern vielleicht auch Plan B und Plan C, was die Versorgung deiner Kinder angeht, wenn du weg bist?
“Es ist tatsächlich so, dass man nicht nur mit Plan A und B arbeiten kann. Gerade mehrtägige Abwesenheiten und sehr frühe Touren machen es notwendig, auch eine Betreuung über Nacht zu haben. Auf jeden muss Fall muss auch werden, was ist, wenn die Betreuung über Nacht sichergestellt ist, tagsüber dann eine andere Betreuung bzw. Kindergarten oder Schule die Betreuung übernimmt, das Kind dann aber nachts krank wird und nicht wie geplant in die Schule oder den Kindergarten kann. Für solche Eventualitäten muss man immer eine weitere Betreuungsoption an der Hand haben. Mein Mann ist beruflich auch viel unterwegs und dieses Thema begegnet uns, so wie auch alleinerziehenden Müttern und Vätern in unserem Beruf, durchaus öfter.
Auch darf man nicht vergessen, dass in einem operativen Beruf wie der des Flugbegleiters, auch unvorhergesehene Änderungen im Einsatzplan entstehen können. Die besten Beispiele sind Schneechaos, Aschewolke oder Ähnliches, was auch zu einer längeren Abwesenheit als ursprünglich geplant führen kann. Diese operativen Unregelmäßigkeiten müssen auch betreuungsseitig so abgedeckt sein, dass man ohne zu großen Stress mit der Situation umgehen kann.”
Und nun die natürlich mit am spannendsten Frage: Wie viele Tage bist du denn nun wirklich komplett von zu Hause weg?
“Da ich noch eine Zusatzfunktion am Boden als Teamleiterin mit 8 Bürotagen im Monat habe, also eine Vollzeitstelle, fliege ich zwischen 8 und 10 Tagen im Monat. Das ist ungefähr vergleichbar mit dem Fliegen in einer halben Stelle, wie ich es auch vor meiner Bürotätigkeit gemacht habe. Ich versuche meist, Flüge über das Wochenende zu legen, was ich gerade in Hinblick auf die Schulbegleitung am besten finde. Das klappt oft, aber nicht immer, da die Einsatzplanung nicht immer alle Wünsche berücksichtigen kann.”
Würdest du einer Mutter, die sich überlegt, noch mal andere Wege im Berufsleben zu gehen und sich überlegt Flugbegleiterin zu werden, dazu raten?
“Wenn man die Unterstützung des Umfeldes hat und die genannten Eventualitäten gut abdecken kann, ist es ein toller Beruf. Lufthansa bietet viele Teilzeitoptionen an und ist, was die Vereinbarkeit von Familie und Beruf angeht, ein guter Arbeitgeber.”
Wie stehen deine Söhne zu deinem Beruf? Finden die zwei das eher toll oder nicht so toll? Ich bin mal mit einem Kollegen geflogen, dessen Sohn Autokennzeichen ganz toll findet. So hat mir der Kollege erzählt, dass er seinem Sohn aus jedem Layover ein Foto von einem Autokennzeichen des entsprechenden Landes aufnimmt und es anschließend für ihn ausdruckt. Hast du mit deinen Söhnen auch so ein Ritual?
“Da meine Söhne es von klein auf an nicht anders kennen, ist der Beruf “ganz normal” und gar nicht mehr so spannend. Was ich allerdings sehe, ist, dass die Kinder durch meine so unterschiedlichen Destinationen und meine Erzählungen sich gedanklich schon mit anderen Themen auseinandersetzen als Gleichaltrige. Fotos aus einem Kinderheim in Indien, zusammen mit meinen Erlebnisberichten, bieten meinen Kindern einen ganz anderen Blickwinkel auf die Welt, als es vielleicht ihre Klassenkameraden haben.
Gerne bringe ich ihnen kleine Besonderheiten aus anderen Ländern mit. Das können die geliebten “echten” amerikanischen Bagels sein, Spicy Chips aus Indien oder auch mal ein Kühlschrankmagnet. Größere Dinge wie Spielzeug oder Kleidung sind bewusst eine Ausnahme, so verlockend es auch manchmal ist. Ich will einfach nicht eine zu große Erwartungshaltung bei den Kindern entwickeln.
Das einzige wirkliche Ritual, was wie haben, ist ein einmaliger Facetime-Anruf aus dem Layover. Das beschränke ich aber auch strikt auf einen, da sonst wegen jeder Kleinigkeit angerufen wird, die eigentlich auch ohne mich lösbar wäre. So ist es ein guter Ausgleich zwischen den Bedürfnissen meiner Familie und meinem Bedürfnis, Zeit für mich zu haben.”
Hast du zum Abschluss noch den ein oder anderen Tipp für Mamas im Fliegeralltag?
“Ich denke, jede Mutter hat eigene Strategien mit den Besonderheiten des Fliegeralltages umzugehen. Dennoch finde ich es besonders wichtig, dass man immer daran denken muss, sich Ruhepole zu suchen, die es einem erlauben, genug Energie für den Alltag als Mutter und als Fliegerin zu erhalten. Wie jede Berufstätigkeit einer Mutter ist das die ganz große Kunst. Wenn man das aber schafft, kann man beide Welten gut vereinbaren und wirklich sehr genießen.”
Vielen Dank für den Einblick in das Mamaleben einer Flugbegleiterin, liebe Sarah. Du hast mir die Welt des Fliegens mit Kind noch mal von einer spannenden Seite veranschaulicht.
Bis Bald!
Dani