Im ersten Teil der Blog-Reihe hatte ich euch von den ersten Tagen des Flugbegleiterlehrgangs Nr. 1912 berichtet. Heute möchte ich euch dahin mitnehmen, wo der größte Teil der Ausbildung der Lufthansa Flugbegleiter in Frankfurt stattfindet. Gemeinsam besuchen wir heute das Lufthansa Aviation Training Center (LATC) in Frankfurt. Zusammen mit mir könnt ihr heute einen Blick hinter die Kulissen der Flugbegleiterausbildung bei Lufthansa werfen. Vor kurzem hatte ich die Gelegenheit, mit Esther Uhlemann zu sprechen. Sie ist bei Lufthansa Aviation Training Teamleiterin in der Abteilung Service-Training und zusammen mit ihren Trainern für die Gestaltung und Durchführung des Flugbegleitergrundlehrgangs bei der Lufthansa zuständig.
Marco: Liebe Esther, herzlich willkommen zu diesem Interview für den Blog von be-lufthansa.com. Bevor wir uns über den Flugbegleitergrundkurs unterhalten, würde mich zu Beginn interessieren, wie lange Du schon bei Lufthansa arbeitest und wie Dein bisheriger Werdegang war?
Esther Uhlemann: Ich bin im Jahre 1983 zu Lufthansa gekommen und war damals im 424. Flugbegleiterlehrgang. 1990 habe ich dann bereits mein Herz an das Training verloren und bin seitdem im Service Training tätig. 2006 wurde ich dann Teamleiterin für das Service-Training.
Marco: Wie würdest Du denn jemand, der gar nichts mit der Fliegerei zu tun hat, Deine Arbeit bei der Lufthansa Aviation Training (LAT) beschreiben?
Esther Uhlemann: Ich habe hier im LAT verschieden Aufgaben: Zum einen bin ich für die Trainingsentwicklung des Grundlehrgangs für Flugbegleiter zuständig. Und zwar nicht nur für die allgemeinen, deutschsprachigen Grundkurse, sondern auch für alle “regionalen” Grundkurse. Lufthansa stellt ja auch Flugbegleiter aus Japan, China, Korea, Indien und Thailand ein. Für diese Grundkurse sind mein Team und ich ebenfalls verantwortlich. Meine zweite große Aufgabe ist die tägliche Operation des ganzen Service-Trainingsbetriebes hier im LATC in Frankfurt. Und meine dritte Aufgabe ist die Führung der Service-Trainer hier in Frankfurt. Derzeit gehören 64 Service-TrainerInnen zu meinem Team.
Marco: Könntest Du mir erzählen, wie ein typischer Arbeitstag von Dir aussieht?
Esther Uhlemann: Ich würde mich fast als eine Art Feuerwehrmann sehen. Jeden Tag gibt es neue Überraschungen, die man selten vorhersehen kann. Zum Beispiel kommen meine Trainer auf mich zu, wenn sie eine Frage zur Durchführung einzelner Kurseinheiten des Trainings haben oder ich kümmere mich auch um besondere Anliegen unserer Teilnehmer, wie eine Erkrankung während des Lehrgangs oder andere besondere Vorkommnisse. Außerdem läuft im Hintergrund immer die Trainingsentwicklung, die niemals stillsteht. Wird beispielsweise nur ein Milchkännchen im Service der Lufthansa geändert, müssen wir hier im Training sofort darauf reagieren und alle betroffenen Trainings anpassen. Meine Zeit vergeht buchstäblich wie im Flug.
Marco: Wie muss sich denn jemand, der den Traum hat, Flugbegleiter oder Flugbegleiterin bei der Lufthansa zu werden, den Grundkurs vorstellen?
Esther Uhlemann: Während eines Grundkurses werden viele einzelne Module durchlaufen. Einen großen Teil nimmt dabei das Emergency-Training ein. In diesem Teil des Lehrgangs lernen die Teilnehmer alle lizenzrelevanten Verfahren, um im Fall der Fälle für alle Arten von Notfällen an Bord wie zum Beispiel einer Notlandung oder auch Feuerlöschen vorbereitet zu sein. Außerdem gehört zum Grundkurs auch eine Ausbildung in Erster Hilfe, denn an Bord kann es auch hin und wieder zu medizinischen Zwischenfällen kommen. Ein weiterer wichtiger Baustein im Grundkurs ist das so genannte Crew Ressource Management. Hier geht es um eine gute Kommunikation innerhalb der Crew und um verschiedene Themen aus dem Bereich Security, auch der Umgang mit schwierigen Passagieren. Und schließlich folgen noch die beiden Blöcke Service Training. Zuerst für die Economy-Class und im zweiten Service-Block für die Business-Class. Während des Service-Trainings lernen die Teilnehmer beispielsweise, wie man unsere Gäste an Bord korrekt anspricht, wie man das Essen richtig serviert oder auch eine passende Weinempfehlung abgibt. Außerdem lernen die Teilnehmer selbstverständlich auch den Umgang mit dem Bordequipment, das aus tausenden Einzelteilen besteht. Natürlich geht es auch um die Erfüllung von Sonderwünschen unserer Gäste oder auch dem richtigen Umgang mit Beschwerden der Passagiere.
Marco: Wie lange dauert denn der Flugbegleiterlehrgang insgesamt?
Esther Uhlemann: Momentan dauert der Flugbegleiterlehrgang 74 Tage und beinhaltet neben den gerade erwähnten Modulen auch drei Einweisungsflüge auf der Langstrecke, und zwar auf einem der Langstreckenflugzeuge: Airbus-A340, Airbus-A380 oder Boeing B747.
Marco: Welche Lernmethoden setzt die Lufthansa denn im Service-Training ein?
Esther Uhlemann: Wir setzen heute während des Trainings auch viele elektronische Medien ein. Die Teilnehmer arbeiten teilweise selbständig auf unserer eigenen Online-Lernplattform. Während des Online-Trainings werden die Teilnehmer von unseren so genannten E-Tutoren betreut. Generell nutzen wir während des gesamten Trainings verschiedene Möglichkeiten des digitalen Lernens. Zum Besipiel setzen wir in mehreren Selbstlerneinheiten QR-Codes ein, die die Teilnehmer zu Online-Tutorials führen, die über das eigene Endgerät abgerufen werden können. Im Präsenztraining hier im LATC sollen dann die Teilnehmer das theoretische Wissen aus dem Online-Training in die Praxis umsetzen. Ein spannender Fakt zum Service Training ist, dass alle Trainer, die in meinem Team arbeiten, auch selbst Flieger sind. Das heißt neben ihrer Tätigkeit als Service-Trainer sind sie alle als Flugbegleiter oder Purser auf Strecke, wie wir hier sagen. Das Training ist also ein Training von Kollegen für Kollegen.
Marco: Kann man das Training hier im LATC mit Unterricht in der Schule vergleichen?
Esther Uhlemann: Nein, absolut nicht. Wir gehen hier immer mehr weg vom klassischen Frontalunterricht. Die Trainer sind mehr Lernbegleiter und unterstützen die Teilnehmer bei der praktischen Umsetzung des Gelernten. Dabei kommen ganz oft Gruppenarbeiten oder auch Rollenspiele zum Einsatz. Ein großer Teil des Trainings findet auf unseren Service-Attrappen statt, wo die Serviceabläufe an Bord simuliert werden. Dabei setzen wir natürlich Originalequipment von Bord ein. Die Teilnehmer üben also beispielsweise mit richtigem Flugzeugessen. Alles ist da und außer Alkohol darf natürlich auch alles gegessen und getrunken werden.
Marco: Was sind denn die größten Herausforderungen für die angehenden Flugbegleiter während des Trainings?
Esther Uhlemann: Wenn man als Berufsanfänger in ein so großes Unternehmen wie die Lufthansa wechselt, möchte man natürlich von Anfang an Mitglied in diesem Unternehmen sein und sich mit der Lufthansa identifizieren. Außerdem haben wir auch viele Teilnehmer, die von sehr weit her kommen. Diese müssen sich nicht nur in ihrer neuen Firma zurechtfinden, sondern müssen sich auch erst einmal an die neue Umgebung im Großraum Frankfurt gewöhnen. Außerdem legen wir von Anfang an auch hier im Training sehr viel Wert auf Pünktlichkeit. Eine Eigenschaft, die für alle Flugbegleiter sehr wichtig ist. Vorher habe ich ja bereits erwähnt, dass ein großer Teil des Trainings eigenverantwortlich von den Teilnehmern absolviert wird, also ist auch ein großes Maß an Selbstverantwortung notwendig.
Marco: Gibt es denn im Jahr 2018 den typischen Lufthansa Flugbegleiter?
Esther Uhlemann: Den gibt es nicht mehr. Als die Lufthansa 1954 mit dem ersten Flugbegleiterlehrgang anfing, gab es ja zum Beispiel zuerst nur weibliche Flugbegleiterinnen. Inzwischen ist der Anteil der Herren deutlich angestiegen. Die Gruppe der Teilnehmer ist sehr gemischt. Wir haben Bewerber, die direkt von der Schule kommen, und auf der anderen Seite haben wir auch Teilnehmer, die deutlich über 50 Jahre alt sind. Das wäre vor ein paar Jahren noch undenkbar gewesen. Heute hat also jeder die Chance, diesen Traumberuf zu ergreifen.
Marco: Seit März 2018 gibt es ja bei der Lufthansa einen neuen Flugbegleitergrundkurs. Was waren denn die Gründe den Lehrgang zu verändern?
Esther Uhlemann: Da gibt es ganz unterschiedliche Gründe. Zum einen haben wir hier im Training bemerkt, dass sich die Teilnehmer verändert haben. Aus diesem Grund haben wir den Grundkurs an die Bedürfnisse der Teilnehmer angepasst und zum Beispiel den Anteil des Online-Trainings deutlich erhöht und mittlerweile bieten wir ein richtiges blended learning an. Dabei haben wir uns auch externen Rat geholt. Der Anteil an Frontalunterricht wurde reduziert und die einzelnen Lerneinheiten sind auch kleiner geworden. Wir sind auch weggegangen vom Lesen von dicken Handbüchern. Das Training insgesamt ist sehr multimedial geworden. Dazu hat es gut gepasst, dass die Lufthansa im letzten Jahr alle Flugbegleiter mit einem IPad mini dem Cabin Mobile Device (CMD) ausgestattet hat. Auf dem CMD sind alle Lufthansa Apps installiert, die die Flugbegleiter für ihre tägliche Arbeit an Bord und zur Flugvorbereitung benötigen. Am zweiten Tag des Lehrgangs erhalten alle Teilnehmer ebenfalls ihr CMD und wir haben das CMD auch voll in den Grundkurs integriert. Außerdem führt die Lufthansa dieses Jahr ein neues Feedbacksystem für die Flugbegleiter ein, dieses haben wir natürlich auch mit in den Grundkurs übernommen.
Marco: Was ist denn Deine persönliche Lieblingseinheit im aktuellen Grundkurs?
Esther Uhlemann: Was mich besonders freut, dass wir den ersten Tag des Lehrgangs geändert haben. Bis vor kurzem begann der Grundkurs hier im Haus im LATC und seit März findet der erste Lehrgangstag an der Lufthansa Basis statt, also an dem Ort, wo auch später alle Flugeinsätze der Flugbegleiter beginnen. Das heißt die Teilnehmer lernen gleich am ersten Tag des Lehrgangs ihren zukünftigen Arbeitsplatz kennen. Und kurz darauf findet dann auch eine Flugzeugbesichtigung aus Sicht eines Flugbegleiters statt. Dass uns diese Umsetzung gelungen ist, freut mich besonders.
Marco: Liebe Esther, ich bedanke mich sehr für dieses Gespräch.
Ich hoffe, dass euch dieses Interview einen guten Einblick in den Grundlehrgang für die Flugbegleiter der Lufthansa geben konnte. Im Teil 3 der Blog-Reihe kommen wir dann wieder zurück zum Flugbegleiterlehrgang Nr. 1912. Inzwischen stecken unsere angehenden Flugbegleiter mitten im Emergency-Training. Und was sie dort Spannendes erlebt haben, werde ich euch in Kürze hier berichten.
Falls Ihr Teil 1 der Blog-Reihe zum Flugbegleitergrundkurs noch einmal lesen möchtet, habe ich hier für euch den Link:
– Die Flugbegleiterausbildung bei der Lufthansa Teil 1: “Welcome to Lufthansa”