Mein dritter Arbeitstag als Trainee bei Lufthansa Technik (LHT): Ich sitze im Flieger nach Sofia. Es handelte sich also noch nicht um den obligatorischen Auslandseinsatz im Rahmen des StartTechnik Programms. Vielmehr führte mich bereits mein erstes Projekt bei der Lufthansa Technik Logistik Services (LTLS), hundertprozentiges Tochterunternehmen von Lufthansa Technik und Anbieter für vielfältige Logistikdienstleistungen in der Luftfahrtindustrie, in die bulgarische Hauptstadt. Gleich am ersten Tag hatte mein Betreuer mir den Auftrag gegeben, für eine Woche „das Geschäft, Prozesse und Leute kennenzulernen“. Zu diesem Zeitpunkt war mir weder klar, warum ich dafür nach Sofia fliegen sollte, noch dass dies nicht die letzte Reise in Europas Osten sein würde.

In der bunten Sammlung bisheriger Trainee-Auslandseinsätze scheint Sofia noch ein Schattendasein zu führen – höchste Zeit also auch aus dieser Stadt zu berichten. Immerhin ist Sofia einer der größten Auslandsstandorte der LHT mit mittlerweile über 1000 Mitarbeitern. Rückgrat bildet die 2008 gemeinsam mit der Bulgarian Aviation Group gegründete LTSF, die sich am Hauptstadtflughafen (der dennoch etwas verschlafen daherkommt) um die Überholung von Narrow-Body-Flugzeugen kümmert. Wenn man am Haupteingang – und somit inmitten einer gigantischen Baustelle – steht, bekommt man einen Eindruck davon, dass sich hier in Zukunft noch einiges mehr tun wird. Zurzeit entsteht der sogenannte „West Wing“, der in einem neuen Hangar den fünf bestehenden Produktionslinien drei weitere hinzufügt, sowie ein sechsstöckiges Multifunktionsgebäude mit zusätzlichem Platz für Werkstätten und Büros. Letzterer bedarf es besonders dringend, da in Sofia bei weitem nicht nur „geschraubt“ wird. Im Rahmen des Unternehmensverbundes beheimatet Sofia wesentliche Zentralfunktionen auch für alle anderen Standorte des weltweiten Base Maintenance Netzwerks: Die Kollegen hier sind unter anderem verantwortlich für IT, Engineering, Materialplanung, Einkauf und Versorgung. Über die Base Maintenance hinaus lassen zudem inzwischen auch andere Produktdivisionen der LHT in Bulgarien Aufgaben für sich erledigen. Im LHT Service Center Sofia – übrigens geleitet von einem ehemaligen StartTechnik Trainee – kümmern sich knapp 90 Kollegen vor allem um Einkaufstätigkeiten.

Und auch die LTLS ist in Sofia stark vertreten und lässt hier rund um die Uhr wesentliche Teile ihres Transportmanagements abwickeln. Das Aufgabenspektrum reicht dabei von der Erstellung neuer Transportkonzepte (es ist durchaus eine Herausforderung Flugzeugersatzteile innerhalb von wenigen Stunden möglichst kostengünstig an die entlegensten Enden der Welt zu bringen) bis hin zur operativen Buchung und Betreuung des eigentlichen Transports. Dementsprechend haben viele deutsche Teams der LTLS auch Mitglieder in Sofia und es ist üblich via Telefon, Skype oder eben manchmal auch vor Ort zusammen zu arbeiten. Wenn man das Großraumbüro im Sofia Airport Center betritt, sind einige Unterschiede zum deutschen Standort augenblicklich bemerkbar: Hinter dem Eingang muss man zunächst die Tischtennisplatte umrunden, dann erblickt man einen bunten Haufen sehr junger Menschen – Startup-Atmosphäre! Morgens ist es üblich, zunächst den ganzen Raum zu durchschreiten und jeden einzelnen Kollegen persönlich zu begrüßen – wer früh kommt muss also damit rechnen, einige Dutzend Mal für das Begrüßungszeremoniell unterbrochen zu werden. Dabei wird auch bei einem neuen Gesicht keine Ausnahme gemacht, man kann ohne Zweifel sagen, dass unsere bulgarischen Kollegen eine sehr herzliche und offene Truppe sind. Vielleicht ist das auch der Grund, warum der Bereich Base Maintenance sämtliche Änderungen zunächst in Sofia ausprobiert, bevor er sie an die übrigen Standorte bringt. So durfte ich in der Weihnachtszeit für eine zweiwöchige Prozessimplementierung auch wieder kommen, dieses Mal jedoch direkt in das Lager. Was vordergründig aufgrund akuten Platzmangels als perfektes Chaos erscheint, stellt tatsächlich den wesentlichen Baustein einer effizienten Materialversorgung der Flugzeugüberholung dar. Nach all den planerischen Vorarbeiten konnten wir nun endlich neue Abläufe, Software und Hardware an den Mann (und die Frau – es regiert eine Lagerleiterin) bringen. Obwohl nicht gleich alles so funktionierte wie gedacht, kam man unserem Projektteam auch hier mit bemerkenswert viel Geduld und Motivation entgegen.

Auch abseits des Kranichs ist Sofia übrigens ein Reise wert. Die Altstadt – erst kürzlich vollkommen saniert – bietet einige beeindruckende Ecken zum Sightseeing, besonders schön ist sie allerdings abends, wenn sich Straßen, Restaurants und Bars bei südeuropäischem Flair füllen. Für Nicht-Vegetarier ist Sofia auch ein kulinarisches Highlight, lokale Spezialitäten wie die berühmten Kebaptscheta bestehen meist aus beeindruckenden Mengen an Fleisch. Auf jeden Fall sind unsere bulgarischen Kollegen sehr stolz auf ihre Ess- und Trinkkultur und zeigen einem immer gerne ein nettes Plätzchen. Man kann nicht verhehlen, dass die äußeren Stadtbezirke Sofias dann doch eher Assoziationen zur abgewirtschafteten Sowjetunion hervorrufen. Wenn man diese Tristesse allerdings überwunden hat, steht man mitten in der Natur. Sofia liegt direkt am Fuße des Witoschagebirges, in dem man bei großartiger Aussicht auf die Stadt wandern und (angeblich) auch Ski fahren kann. So hält Sofia also nicht nur spannende berufliche Einblicke in verschiedene Bereiche der LHT bereit, sondern auch einiges für die Freizeit.

StartTechniker Kurzprofil
Steffen Parth hat am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) Wirtschaftsingenieurwesen mit den Schwerpunkten Operations Research und Logistik studiert. Während seines Studiums absolvierte er Praktika im Inhouse Consulting der Deutschen Bahn und der Geschäftsentwicklung von Bosch in Südostasien. Zurzeit ist Steffen in seinem zweiten Traineeeinsatz bei der Lufthansa Technik in Hamburg und arbeitet dort in der Digitalisierungsstrategie im Komponentenbereich. In seinem vorherigen Einsatz bei der Lufthansa Technik Logistik Services arbeitete er (unter anderem in Sofia) an Lagerplanung und -prozessen und der Preisbildung für Transportdienstleistungen. In seiner Freizeit treibt Steffen Sport und erkundet seine neue Heimat Hamburg – was er zum Beispiel aktuell durch seinen Segelschein beim Lufthansa Sportverein verbindet.