Technik im Ohr, Technik im Job

Hallo, mein Name ist Michael und ich arbeite als Product Engineer bei der Lufthansa Technik im Team „Langstrecke“ und bin zuständig für beschädigte Flugzeuge auf der ganzen Welt. Mein Spezialgebiet sind Schäden an der Struktur: Wenn eine Maschine Brandstellen von Blitzschlägen, Dellen oder vielleicht sogar Löcher durch Kontakt mit Bodenfahrzeugen davongetragen hat, schätze ich mit meinen KollegInnen ein, ob sie noch flugtauglich ist, bzw. wie schnell repariert werden kann. Wir sind hier ein bisschen wie die Feuerwehr: tritt auf dem Vorfeld an einem Flugzeug ein Defekt auf, eile ich mit meinen Kollegen nach draußen und gebe Anweisungen für die Reparatur oder notwendige Kontrollen vor Ort. Im Einzelfall werden sogenannte Flight Conditions definiert und nach Genehmigung durch das Luftfahrtbundesamt ein Überführungsflug zur nach Hause durchgeführt, damit wir das Gerät in der heimischen Halle wieder in Schuss bringen können.

Nach fast 32 Jahren im Beruf wache morgens meistens automatisch zur richtigen Zeit auf. Wenn die innere Uhr nicht funktioniert, weckt mich meine Frau, denn ich bin auf beiden Ohren taub. Tagsüber trage ich magnetischen Sendespulen links und rechts am Kopf, die Geräusche über Implantate ins Innenohr tragen. Diese muss ich allerdings nachts ablegen, deshalb höre ich den Wecker morgens nicht.

Bei meiner täglichen Arbeit beeinträchtigt mich die Taubheit aber nicht mehr. Seit 2014 führe ich sogar wieder Prüfflüge auf der ganzen Welt durch, bei denen er wir die Maschinen nach einem längeren Check auf Herz und Nieren testet.

Mit dem Hören hatte ich aufgrund einer Durchblutungsstörung seit dem Studium Schwierigkeiten. Beruflicher und privater Stress haben die Situation noch verschlimmert. Zuerst habe ich versucht, das Problem zu ignorieren, und bin im Nachhinein erstaunt, wie ich z. B. bei Telefonaten oder in Besprechungen anhand einzelner Schlüsselwörter einen Zusammenhang herstellen konnte. Das erforderte natürlich immer viel Konzentration. Nach einer schweren Infektion war ich dann auf beiden Ohren taub.

Meine HNO-Ärztin hat mir daraufhin die Schwerhörigen-Sprechstunde am Universitätsklinikum Frankfurt empfohlen, wo ich zum ersten Mal detailliert über Cochlea-Implantate informiert wurde. In einer dreistündigen Operation wurden mir Elektroden in das Innenohr implantiert, welche die Hörnerven stimulieren. Diese leiten die Signalimpulse an das Gehirn weiter, wo die Hörwahrnehmung entsteht. Bei mir hat das so gut funktioniert, dass ich auf dem Heimweg vom Krankenhaus, zwei Stunden nach der Ersteinstellung, die U-Bahn-Durchsage bereits verstehen konnte.

Überprüfung der Ladeklappen auf Strukturschäden
Überprüfung der Ladeklappen auf Strukturschäden

Ich kann  allen Betroffenen nur raten, sich ihrem Problem zu stellen und so früh wie möglich etwas dagegen zu unternehmen, denn ein schlechtes Gehör kann sich stark auf das berufliche und soziale Leben auswirken. Ich hatte mich aus meinem Freundeskreis zurückgezogen. In lauten Bars konnte ich eh keine Unterhaltung verfolgen und nach einigen unangenehmen Missverständnissen habe ich lieber nichts mehr gesagt. Einige Ärzte wissen nicht, wie viel ein Implantat vom „alten Leben“ zurückholen kann. Deshalb ist es empfehlenswert, sich in offenen Sprechstunden oder Selbsthilfegruppen zusätzlich zu informieren. Und am besten redet man mit seinen Kollegen offen darüber. Es hilft einem Schwerhörigen sehr, wenn ein Kollege an den Tisch kommt und ihn beim Reden ansieht, damit er unterstützend von den Lippen ablesen kann.

Ich möchte gerne dabei helfen, das Implantat zu verbessern und Akzeptanz für Schwerhörige zu schaffen.

Um anderen Schwerhörigen zu zeigen, was man trotz Taubheit alles machen kann, habe ich dafür Implantatträger aus verschiedenen Altersklassen und ihre Familien im Oktober zu mir an meinen Arbeitsplatz eingeladen:

Die Botschafter von "Endlich wieder Hören" zu Besuch in der Technik
Die Botschafter von “Endlich wieder Hören” zu Besuch in der Technik